2023–12–15T16:00:00GMT+0100
Valentin Dora

Valentin Dora

Die Räumlichkeiten des Zürcher Design- und Handwerksunternehmens Vock10 sind randvoll gefüllt mit Kreativität. Der Laden und die Werkstätten liegen unter dem Zürcher Lindenhof, direkt an der Limmat. Die Morgensonne fällt ins Verkaufslokal und taucht die Gegenstände und Möbel in ein goldenes Licht. Genau in diesem Licht hat sich Valentin Dora entspannt zu einer Kaffeepause niedergelassen und erzählt, wie es zur Gründung von Vock10 gekommen ist. 

 

Valentin Dora war bereits Geschäftspartner in einer Schreinerei an der Schipfe, als er sich entschied, ein altes Antiquitätengeschäft zu übernehmen und sein eigenes, neues Konzept umzusetzen, bei dem es um die Verbindung von Handwerk und Design ging. «Vor viereinhalb Jahren übernahmen ein Kollege und ich die Schreinerei Schipfe 33 in der Altstadt von Zürich. Hier konnte ich viele wertvolle Erfahrungen im Bereich der Selbstständigkeit machen und genoss bereits gestalterische Freiheit beim Arbeiten. Das eigene Design umsetzen zu können, spielte eine wichtige Rolle in der Entscheidung für die Selbstständigkeit», erklärt Valentin Dora. Trotz der zentralen Lage wurde schnell deutlich, dass es der Schreinerei und deren Produkte an Sichtbarkeit fehlte. Zusätzlich entfernten sich die Schwerpunkte der beiden Geschäftspartner immer mehr voneinander. Doras Wunsch war es, sich stärker von Kundenaufträgen zu distanzieren und seinen Fokus auf das eigene Möbel- und Interior-Design zu legen. «Durch eine gute Freundschaft zu der benachbarten Antiquitätenschreinerei und deren Geschäftsführer Dani Vock, welche durch zahlreiche Gefälligkeiten, für die ich in Kaffees bezahlt wurde, entstand, bot sich mir die Möglichkeit, das Antiquitätengeschäft weiterzuführen und das Konzept zu modernisieren.» Seit bald zwei Jahren führt Valentin Dora zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Helen Sauter und der Unterstützung seiner gesamten Familie das Design- und Handwerksunternehmen Vock10. Durch die neue Grösse und die zwei Geschäfte entstanden viele Möglichkeiten, aber auch hohe Kosten. Klar war, dass es seine Zeit brauchen würde, bis der Laden Vock10 allein durch die eigenen Kollektionen getragen werden konnte. «Da ist einerseits immer noch die Schreinerei, in der wir kleinere Zimmermannsarbeiten, Anfertigungen von Massmöbeln für Kunden und Aufträge für Architekten wie zum Beispiel Einbauschränke realisieren.» Dazu kommen die eigenen Produkte, gelegentliche Ingenieursaufträge, Handwerkskurse und Events in den neuen Räumlichkeiten. «Unser langfristiges Ziel ist es jedoch, den Fokus auf die Herstellung der eigenen Möbel- und Produktlinien zu legen und so unser Konzept, die Verbindung von qualitativem Handwerk mit modernem Design, weiterauszubauen.» 

Bei Vock10  werden Design- stücke ausgestellt  und verkauft.

Bei Vock10 werden Designstücke ausgestellt und verkauft.

Der Laden von Vock10 an der Schipfe in Zürichs Altstadt.

Der Laden von Vock10 an der Schipfe in Zürichs Altstadt.

Der Weg zum Zimmermann begann für Valentin Dora in Wetzikon. «Ich bin dort in einem alten Haus aufgewachsen. Wir mussten fürs Heizen, Kochen und das Warmwasser immer Holz hacken. Darum konnte ich das schon als Junge sehr gut.» So habe er sehr früh einen Bezug zum Holz gehabt, erinnert sich Dora. «Meine kreative Seite wurde durch die Rudolf-Steiner-Schule gefördert, die ich von der ersten bis zur zwölften Klasse besucht habe. Und natürlich von meiner Mutter, die als Künstlerin eine äusserts kreative Person ist.» Seine Mutter habe dann auch in Wetzikon eine Kunstschule gebaut. «Das war damals eine der grösseren Holzbauten im Zürcher Oberland. Ich habe mich sehr für die Arbeiten interessiert, und es hat mich fasziniert, wie die Zimmerleute die Holzkonstruktion aufgerichtet haben», berichtet der Designer. Beim Richtfest habe es einen Wettbewerb gegeben. «Es wurde geschaut, wer von den Zimmerleuten am schnellsten Holz scheiten kann. Irgendwann nahm ich meinen Mut zusammen und habe gefragt, ob ich auch mitmachen dürfte. Und siehe da, ich habe gewonnen. Daraufhin hat mir der Chef eine Lehrstelle angeboten.» Damals habe er sich zum Ziel gesetzt, sich alles Wissen anzueignen, um einmal ein eigenes Haus bauen zu können. Das sei eine Art roter Faden für seine Ausbildung gewesen. «Nach der Lehre habe ich die Berufsmatur gemacht und in Biel die Ausbildung zum Holzbauingenieur mit Schwerpunkt Statik absolviert.» Nach dem Studium habe er bei einem Ingenieurbüro gearbeitet, wo er sehr viel gelernt habe. «Das war sicher wichtig, auch weil ich schnell sehr viel Verantwortung übernehmen musste. Durch die ganzen Einschränkungen und Diskussionen, die man in der Baubranche jedoch hat, wird das Arbeiten immer wieder blockiert, und die Kreativität geht verloren. So wurde mir bewusst, dass ich gerne selbst über mein Handeln entscheide und die Wahl haben möchte, wie ich mit Situationen umgehe. Weiter brachte mich mein Interesse immer mehr zum Möbeldesign. Deshalb auch die Idee zur Schreinerei an der Schipfe.»

Der Massivholztisch mit Stahlfüssen ist Valentin Doras Standardprodukt.

Der Massivholztisch mit Stahlfüssen ist Valentin Doras Standardprodukt.

Valentin Dora begutachtet eine Tischplatte.

Valentin Dora begutachtet eine Tischplatte.

«Meine Schlüsselfrage ist immer, wann ich den nächsten Tisch, das nächste Bett verkaufe. Das ist eine Geduldsprobe.»

Seine Produkte seien relativ hochpreisig, dessen sei er sich bewusst. «Das Material für einen Tisch kostet mich zwischen 1500 und 2500 Franken. Klar, würde es billiger werden, wenn ich gleich mehrere Tische auf einmal machen könnte. Aber das ist bei Massanfertigungen nicht möglich. Dazu kommt die Arbeit. Wir brauchen etwa fünf bis sechs Arbeitstage, bis der Esstisch fertig ist. So kostet am Schluss ein Tisch zwischen 6800 und 7500 Franken.» Wäre er ein Grossproduzent und hätte eine andere Philosophie, würde es ganz viele Wege geben, seine Kosten zu senken. «Wem Massivholz zu teuer ist, kann mit Furnier arbeiten, oder Tischplatten aus kleineren Stücken zusammenleimen. Bezieht man das Holz auch noch über Unterfirmen, die nicht auf ökologische Standards achten, kann dort auch gespart werden. Zusätzlich könnte man die Produktion auch ins Ausland auslagern, und dann gibt es die Option, die Arbeiter auszubeuten.» Die meisten Produkte würden leider so hergestellt werden, durch Raubbau und Ausbeutung. «Viele Menschen sind sich nicht bewusst, was es kostet, ein hochwertiges Produkt herzustellen, das fair produziert ist – und das fängt schon bei den Produkten unseres Alltags an.» Letztlich sehe er auch bei sich selbst, dass Konsum immer ein Spagat sei. «Idealerweise wird ein Möbelstück über mehrere Generationen genutzt. Auch meine Tische würden über mehrere Generationen halten. Aber wir leben in einer Gesellschaft, in der man alles immer kaufen kann. Unsere Wirtschaft würde nicht funktionieren, wenn wir nachhaltig wären. Wir sind eine Wegwerfgesellschaft, und deshalb geht es uns vermeintlich so gut.» Für die Produktion seiner Möbel hat er darum klare Leitlinien definiert. «Als ich mich selbstständig gemacht habe, habe ich entschieden, kein Tropenholz zu verbauen und keine Spanplatten zu verwenden. Auch wenn Tropenholz ein Nachhaltigkeitszertifikat hat, weiss man nie, woher es genau kommt und wie es geschlagen wurde. Die Spanplatte eignet sich grundsätzlich nicht für einen nachhaltigen Möbelbau.» 

In der alten Werkstatt von Daniel Vock finden jetzt Kurse und Konzerte statt.

In der alten Werkstatt von Daniel Vock finden jetzt Kurse und Konzerte statt.

Theoretisch biete er seine Möbel auch aus Schweizer Holz an. «Um zum Beispiel einen Tisch aus Nussbaum herzustellen, muss ein ganzer Baumstamm gekauft werden. Bei nicht Schweizer Holz gehe ich zu meinem Lieferanten und kann aus ungefähr 50 Stämmen aussuchen. Da unsere Kunden sehr auf die Optik bedacht sind, kommen nur die schönsten Stämme zur Auswahl», erklärt der Handwerker. Für einen gleichwertigen Nussbaumstamm aus Schweizer Holz müssten diverse kleine Sägewerke besucht werden, um die wenigen einzelnen Stämme zu begutachten. «Anschliessend muss der Stamm von ausserhalb nach Zürich transportiert werden. Dieser Aufwand wirkt sich zusätzlich auf den Preis des Schweizer Holzes aus.» Es wäre prinzipiell eine nachhaltige Entscheidung, wenn Schweizerinnen und Schweizer sich bei einer lokalen Schreinerei ein Massivholzmöbel fertigen lassen würden. «Die Frage nach Schweizer Holz rückt aber meist etwas in den Hintergrund.»

So bewegt sich Valentin Dora täglich in diesem Spannungsfeld zwischen den Rollen als Handwerker und Designer. «Mein Ziel ist es, dass wir immer weniger Prototypen auf Kundenwunsch herstellen, sondern mehr unsere eigenen Entwürfe verwirklichen können. Kundenwünsche sind immer Prototypen und damit ein grosses Risiko für den Hersteller», stellt Dora fest. «Mein alter Chef hat einmal gesagt, dass es bei der Arbeit darum gehe, dass sich für beide Seiten, Handwerker und Kunde, ein Erfolg einstellen muss und dass es nicht darum geht, wer recht hat. Würde in unsere Gesellschaft weniger darauf beharrt werden, wer recht hat, könnte man den Fokus darauf lenken, wie man gemeinsam das bestmögliche Ergebnis erzielt.»

 

Ein Raum für Kunst

«Wir haben uns lange darüber Gedanken gemacht, wie wir das Ganze gestalten möchten. Eigentlich bieten wir alles an, was die Bereiche Handwerk und Design betrifft», erklärt Valentin Dora, Geschäftsführer des Design- und Handerwerksunternehmens Vock10 an der Zürcher Schipfe. Durch das Team, welches aus der Geschäftspartnerin Helen Sauter und Valentins Mutter Franziska Dora besteht, ergibt sich ein breites Spektrum an handwerklichem und gestalterischem Know-how, welches sich von Holzbau über Stein- und Lederbearbeitung bis zur Metallbearbeitung erstreckt. Jeder hat seine eigenen Produktlinien im Geschäft, die er entwirft und herstellt. So entstehen die verschiedensten Produkte des täglichen Lebens. Das Sortiment geht von Möbeln über Lederprodukte bis hin zu Schmuck. Seit September bietet das Vock10-Team auch ein neues Konzept an Handwerkskursen in den Bereichen Holz, Leder und Schmuck an.

 

vock10.ch


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