2023–12–15T16:00:00GMT+0100
Blumen Garten

«Einfach ein paar Blumensamen in den bestehenden Rasen einzustreuen, ist meist nicht erfolgversprechend.»

Von Landwirtinnen und Landwirten wird häufig verlangt, mehr für Biodiversität, Umwelt- und Gewässerschutz zu tun. Dass es Optimierungspotenzial gibt, ist unbestritten. Aber auch wer einen Garten oder nur einen Balkon hat, kann seinen Teil zu einem funktionierenden Ökosystem beitragen. Rund 17 Prozent der Fläche im Mittelland sind Siedlungsflächen (Stand 2018), und es werden immer mehr. Täglich wird schweizweit eine Fläche in der Grösse von acht Fussballfeldern neu überbaut, während die Landwirtschaftsfläche gleichzeitig schrumpft. Wiederum gut ein Drittel der Siedlungsfläche ist Wohnfläche. Darin eingerechnet ist auch der Umschwung der Ein- und Mehrfamilienhäuser. Also der Bereich, über den viele von uns verfügen können. 

 

Der Natur im eigenen Garten Platz einzuräumen, ist nicht nur sinnvoll, sondern auch für uns Menschen sehr bereichernd. Sich im Frühling an den von früh fliegenden Insekten umschwärmten Weidenkätzchen zu freuen. Im Sommer aus dem kühlen Schatten eines grossen Baumes den Schmetterlingen beim Nektartanken an Witwenblumen und Natternkopf zusehen. Im Herbst die gesunde Ernte im Gemüsegarten zelebrieren. Und im Winter Stieglitz und Co. dabei beobachten, wie sie geschickt an stehen gelassenen Samenständen herumturnen, um auch den letzten Samen als wertvolle Winternahrung zu verspeisen. Die Natur hält immer Spannendes bereit, und die Zeiten, in denen Nachbarn die Nase über zu wilde Gärten rümpften, sind zum Glück mehrheitlich vorbei. Je mehr naturnahe Gärten entstehen, desto dichter wird das Netz an sogenannten Trittsteinen. Diese Trittsteine ermöglichen es Amphibien, Insekten und kleinen Säugetieren zu wandern und mit anderen Populationen in Kontakt zu kommen.

 

Im Folgenden präsentieren wir Ihnen einige Tipps, wie Sie Ihren Garten naturnaher gestalten können. Die Liste ist nicht abschliessend und wahrscheinlich können in den wenigsten Gärten alle Tipps umgesetzt werden. Aber jeder Schritt in diese Richtung ist ein wertvoller. Und: Ist der naturnahe Garten einmal angelegt, gibt er deutlich weniger zu tun als ein konventioneller, in dem alles Wüchsige ständig in Schach gehalten werden muss. Haben Sie Mut zur Unordnung!

Biene

Weidenkätzchen locken Insekten an.

Grenzen öffnen

Während Vögel und Insekten keine Probleme damit haben, Gartenzäune und Mauern zu überwinden, scheitern Igel an Zäunen, die bis zum Boden dicht sind. Folgen sie solch unüberwindbaren Hindernissen, landen sie nicht selten auf der Strasse, wo die Begegnung mit dem Auto einen fatalen Ausgang nehmen kann. Steht der Zaun gar auf einer Mauer, finden auch Amphibien kaum Eingang in Ihren Garten. Sorgen Sie dafür, dass Durchschlüpfe vorhanden sind. 

Blumen Garten Gitter

Ein Gitter über dem Lichtschacht schützt Amphibien vor dem Herunterfallen.

Fallen verhindern

Lichtschächte sind regelrechte Amphibienfallen. Einmal reingefallen, kommen sie nicht mehr heraus und verhungern oder verdursten kläglich, wenn Sie sie nicht zufällig rechtzeitig finden und befreien. Ein feinmaschiges Gitter über dem im Normalfall sehr groben Gitter des Lichtschachts schafft Abhilfe.

Frosch im Teich

Der Grasfrosch fühlt sich wohl im Teich.

Teich im Garten

Wer genügend Platz hat, sollte einen Teich anlegen.

«Ist der Teich gross genug, können sogar Schwalben im Tiefflug Wasser tanken, und nachts tun es ihnen die Fledermäuse gleich.»

Wasser ist Leben

Wer genügend Platz hat, dem sei ein Teich empfohlen. Dieser zieht Leben in allen Formen an. Zahlreiche Tiere nutzen ihn als Trinkstelle, und für Amphibien und Libellen dient er als unverzichtbare Kinderstube. Ist er gross genug, können sogar Schwalben im Tiefflug Wasser tanken, und nachts tun es ihnen die Fledermäuse gleich. Dass der Rand eines schön bepflanzten Teichs mit unterschiedlich tiefen Wasserzonen auch ein wunderbarer Ort für einen Sitzplatz ist, versteht sich von selbst.

 

Angst vor Mücken? In einem gut funktionierenden Teich haben Mückenlarven keine Chance; Molche, Libellenlarven und Co. sorgen für deren Dezimierung. Anders sieht es bei kleinen Wasserstellen aus, die auch auf einem Balkon umsetzbar sind (Statik beachten!). Auch eine zum Miniteich umfunktionierte Zinkwanne oder Ähnliches kann sehr hübsch sein und Insekten und Vögeln als Tränke dienen. Darin platziertes Moos oder Holzstücke bieten sichere Landeplätze. Da sich in diesen Miniteichen aber kaum Fressfeinde der Mückenlarven einfinden, gilt es, hier mit dem Einbringen des Bacillus thuringiensis, eines Bakteriums, das im Fachhandel zum Beispiel bei Andermatt Biogarten erhältlich ist und die Mückenlarven tötet, vorzusorgen. Dies nicht zuletzt wegen der sich ausbreitenden Tigermücke.

Der Klassiker: Asthaufen

Beim Schneiden von Bäumen und Sträuchern fallen Äste an. Anstatt diese in der Grünguttonne zu entsorgen, schichten Sie diese auf einen Haufen. So bieten Sie Spitzmäusen, überwinternden Schmetterlingen (z.B. Zitronenfaltern) oder deren Raupen (z.B. Schwalbenschwanz), Florfliegen (die lieben Blattläuse!), dem Zaunkönig, Kröten und falls der Haufen gross genug ist auch Igeln Unterschlupf. Soll der Haufen Amphibien und Reptilien auch im Winter guten Schutz bieten, lohnt es sich, ihn zu «unterkellern». Heben Sie eine mindestens 50 cm tiefe Grube aus und füllen Sie diese mit grossen Steinen und dicken Holzstücken. Die so entstandenen Hohlräume füllen Sie teilweise mit Laub, Moos, Rinde oder Stroh. Das isoliert, und durch den Rotteprozess entsteht zusätzliche Wärme. 

 

Die feinen Äste fallen schnell in sich zusammen – und schon wenn der nächste Strauchschnitt ansteht, gibt es auf dem Haufen wieder Platz für neues Schnittgut.

 

 

Fugen

Fugen zwischen Pflastersteinen werden zu wertvollen Lebensräumen.

Gemüse

Auch der Gemüse­anbau unterstützt die Biodiversität.

Sandlinse anlegen

Drei von vier einheimischen Wildbienenarten nisten im Boden und nicht etwa in den bekannten Wildbienenhotels. Mit offenen Sandflächen an sonniger Lage, die mindestens 30 cm tief sind, schaffen Sie ideale Brutbedingungen. Aber Achtung: Spielsand für den Sandkasten ist ungeeignet, da er keinen Lehm enthält. Besorgen Sie sich den passenden Sand «ab Wand» im Kieswerk. Da solche Flächen auch gerne von Katzen als Klo benutzt werden, lohnt es sich, lose abgeschnittene Brombeerranken oder sonstige dornige Zweige darüberzulegen. Auf dem Balkon haben Sie das Katzenproblem nicht. Hier können Sie schon mit einem tiefen, sandgefüllten Blumentopf eine Insektenbrutstätte schaffen.

 

Fugen und Ritzen zwischen Pflastersteinen oder Wegplatten können ebenfalls wertvolle Lebensräume für bodenbrütende Insekten sein, solange diese nicht mit Beton ausgegossen, sondern mit Sand gefüllt sind.

Hecke aus einheimischen Sträuchern

Kirschlorbeer und Thuja bringen kaum einem Tier etwas und sind zudem invasiv (Kirschlorbeer) bzw. haben Mühe, mit dem Klimawandel mitzuhalten (Thuja). Höchste Zeit also, sie durch einheimische Sträucher zu ersetzen. Am sinnvollsten ist eine Hecke aus unterschiedlichen einheimischen Sträuchern. In dornigen Arten wie Weissdorn, Berberitze oder Sanddorn finden Vögel relativ katzensichere Nistmöglichkeiten. Faulbaum, Kornelkirsche oder verschiedene Weidenarten bieten Pollen und Nektar für die Insekten, und der Liguster behält nicht nur einen Grossteil seiner Blätter den ganzen Winter über und bietet so relativ viel Sichtschutz, sondern seine Beeren sind auch bei Vögeln beliebtes Winterfutter. Und apropos Sichtschutz: Von Frühling bis Herbst lässt auch eine Hecke aus heimischen Sträuchern keine Blicke durch. Und im Winter sind wir ja sowieso kaum im Garten, sodass der Blickschutz nicht ganz so wichtig ist.

Blumen Garten

«Täglich wird schweizweit eine Fläche in der Grösse von acht Fussballfeldern neu überbaut.»

Wildblumenwiese

Einfach ein paar Blumensamen in den bestehenden Rasen einzustreuen, ist meist nicht erfolgversprechend. Zu dicht ist die bereits vorhandene Vegetation. Wenn Sie auch nur ein paar Quadratmeter zur Verfügung haben, die sie nicht allzu häufig betreten, entfernen Sie darauf das vorhandene Gras, lockern den Boden rund 6 cm tief und vermischen die vorhandene Erde mit Sand, um den Boden abzumagern. Pflanzen Sie nun einzelne standortgerechte Wildpflanzensetzlinge an, und streuen Sie eine passende Samenmischung aus. Bis die Wiese gedeiht, muss sie feucht gehalten werden. Ist sie einmal etabliert, wird sie höchstens ein- bis zweimal jährlich gemäht – am schonendsten mit der Sense. Denn schon bald werden darin zahlreiche Insekten und Spinnen leben, die einem Fadenmäher nur schwer entkommen. Das Schnittgut lassen Sie zwei, drei Tage liegen, damit die Samen ausfallen und sich die Pflanzen so selbst vermehren können.

Natürlicher Gemüsegarten

Auch der Gartenteil, der primär dazu dient, uns zu ernähren, kann ein Hotspot der Biodiversität sein. Einerseits, indem Sie auf vielfältige Nutzpflanzen setzen. Darunter können gerne alte, fast vergessene Sorten aus dem Sortiment von Pro Specia Rara sein. Andererseits, indem Sie auch im Gemüsegarten Nischen und Verstecke schaffen, in denen sich Fressfeinde der ungeliebten Gartengäste wohlfühlen: Auf dem Speiseplan von Kröten und Blindschleichen stehen Schnecken. Florfliegen- und Marienkäferlarven machen sich über Läuse her, und Laufkäfer und Wanzen gehen Kartoffelkäferlarven an den Kragen. Je ausgeglichener das System in Ihrem Gemüsegarten ist, desto weniger müssen Sie korrigierend eingreifen.


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