2023–12–15T16:15:00GMT+0100
Auf die Nesseln gesetzt

Stylish, schlicht, modern sehen die Flaschen aus. Sie sind in den angesagtesten Läden Zürichs zu kaufen. Ihr Inhalt wird in hippen Beizen ausgeschenkt. Auf den ersten Blick ist den braunen Flaschen, auf deren weissen Etikette «Maison Verte» steht, nicht anzusehen, dass sich darin hauptsächlich ein vermeintliches Unkraut verbirgt, das aber über viele wundersame Inhaltsstoffe verfügt. Die Brennnessel.

Chris Ibrahim befasste sich während seines Studiums an der Zürcher Hochschule der Künste mit der Brennnessel. Er wollte nachhaltige Produkte entwickeln, die Kreisläufe in der Natur berücksichtigen und gleichzeitig hohe Ansprüche ans Design erfüllen. Deshalb gründete er mit Andrea Schärer das Unternehmen «Maison Verte». Unter diesem Namen produzieren sie Sirup, Likör und ein Brennnesselsalz. Und neu einen Gin, in dessen Botanicals Brennnesseln ein wichtiger Bestandteil sind.

«Mit ansprechenden Produkten wollen wir uns am Markt positionieren.» Das sagt Andrea Schärer. Er sitzt an einem langen Holztisch in einem Neubau im Zürcher Seefeld-quartier. Die raumhohen Fenster geben den Blick frei auf den Zürichsee. Schärer ist Teil der Unternehmensberatung Wingwall, mit der Ibrahim nach seinem Abschluss in Kontakt trat, um Maison Verte weiter voranzubringen.

«Auf den ersten Blick ist den braunen Flaschen, auf deren weissen Etikette ‹Maison Verte› steht, nicht anzusehen, dass sich darin hauptsächlich ein vermeintliches Unkraut verbirgt.»

Zwei der Köpfe hinter Maison Verte: Andrea Schärer (l.)  und Chris Ibrahim.

Zwei der Köpfe hinter Maison Verte: Andrea Schärer (l.) und Chris Ibrahim.

Mittlerweile arbeiten Ibrahim, Schärer, Lea Vogel und Christina Wohler für Maison Verte. Alle noch nebenberuflich. Nicht weil das Projekt nur ein Hobby wäre, sondern weil es noch nicht genug abwirft für Vollzeitstellen. Das soll sich in Zukunft ändern.

Ebenso der Bezug der Rohstoffe. Die Brennnesseln beziehen sie noch immer teilweise aus dem Ausland, um grössere Mengen zu bekommen und um eine gleichbleibende Qualität zu erhalten. Sie haben aber auch ein Brennnesselfeld im Jura und testen derzeit die Ernten von Bauern aus der Region auf «Geschmack und Qualität», wie Schärer sagt. Denn sie brauchen einiges. Pro Charge stellen sie 100 bis 200 Liter Likör oder Sirup her. Dafür brauchen sie 60 bis 80 Kilo getrocknete Brennnesselblätter. 

Die Sirupflaschen kommen schlicht  und stylish daher.

Die Sirupflaschen kommen schlicht und stylish daher.

Die Getränke und das Salz sind aber nur der Anfang. Das Maison-Verte-Team will das ganze Potenzial der Brennnessel ausschöpfen. Und das ist gross. Während sich die Blätter vor allem für Lebens- und Genussmittel und sich die Wurzeln für Beautyprodukte eignen, sind die Stängel faserig wie jene des Hanfs. Daraus können also Textilien hergestellt werden als nachhaltige Alternative zu Baumwolle. Aber auch Dämmmaterial in Bauten oder Ersatz von Kunststoff. Schärer klopft an den Plastikstuhl, auf dem er sitzt. «So etwas lässt sich aus Brennnesseln machen.»

«Pro Charge stellen sie 100 bis 200 Liter Likör oder Sirup her. Dafür brauchen sie 60 bis 80 Kilo getrocknete Brennnesselblätter.»

Brennnesselblätter

Bis es so weit ist, dauert es noch eine Weile. Maison Verte experimentiert und forscht noch. Viel mit Partnerfirmen, die das nötige Wissen haben. Während sie an neuen Produkten tüfteln, wuchern zum Beispiel in der Stadt Zürich auf Kreiseln, an Strassen- und Waldrändern und in Pärken Brennnesseln. Sie bieten Insekten Lebensräume und Nahrung. Wenn sie von der Stadt gemäht werden, kommen sie auf den Kompost. Die Idee von Maison Verte wäre es, genau diese Pflanzen zu nutzen. Der Rohstoff wäre ein besonders nachhaltiger, der ohnehin anfällt und zu Lebzeiten für Biodiversität im urbanen Raum sorgt. 

Nesselernte

Chris Ibrahim bei der Arbeit auf dem Brennnesselfeld.

Nessel Ernte

Handschuhe sind bei der Brennnesselernte wohl eine gute Idee.

Die Abfallprodukte, die bei der Herstellung anfallen würden, wollen sie wieder als Dünger verwenden. Zum Beispiel für ihre Brennnesselfelder. So wäre der Kreislauf geschlossen. Das alles liegt aber noch in der Zukunft. Von Maison Verte lässt sich momentan Sirup, Likör und Gin trinken und davon träumen, was sich aus der Wunderpflanze noch alles herstellen liesse. 

maisonverte.studio


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